Lesungen: Eph 6,10-13+18; Lk 19, 11-26
Predigt von Erzbischof FRANCK, Präsident der Kaiser-karl-Gebetsliga bei der Gedenkmesse in der Augustinerkirche Wien
Warum hassen die Einwohner des Landes – wie wir eben im Gleichnis Jesu gehört haben – diesen vornehmen Mann? Weshalb wollen sie nicht, dass dieser Mann ihr König wird? Stellt er zu hohe Ansprüche an ihr Verhalten? Fordert er zuviel Einsatzbereitschaft von ihnen? Wir wissen es nicht. Aus dem Text geht jedenfalls klar hervor, dass Jesus ihn nicht kritisiert. Ja, das Gleichnis steht eindeutig im Zusammenhang mit der Ablehnung, die Jesus selbst erfährt, mit dem Widerstand, der gegen das wahre Königtum Jesu entfaltet wird.
Warum kann es überhaupt zu einer Ablehnung Jesu kommen? Wie kann der gute, menschenfreundliche Gott, der sich als Mensch uns Menschen schenkt, um uns zu erlösen, auf eine tödliche Gegnerschaft stoßen? Das gehört zum Geheimnis des Bösen, jenem mysterium iniquitatis, vor dem wir immer wieder staunend und betroffen stehen – und das wir Menschen niemals völlig erklären oder lösen werden. Im Geschenk der Freiheit eröffnet sich auch die furchtbare Möglichkeit der Ablehnung Gottes. Was uns daran erschüttert, soll aber vor allem Appell und Anstoß an uns sein, uns für Gott zu entscheiden und mit ihm zu gehen, gerade auch wenn wir mit ihm Ablehnung und Aggression erleiden.
Der selige Kaiser Karl aus dem Hause Österreich, dessen Festtag wir heute begehen, hat ebenfalls Anfeindung, Angriff und Verleumdung erfahren. Ein feinfühliger, sehr menschlicher Charakter, ein kluger Mann, ein leidenschaftlicher Kämpfer für den Frieden, und nicht zuletzt ein hingebungsvoller Ehemann und Vater: das war der selige Kaiser Karl. Gegen ihn wurde eine Antipropaganda inszeniert. Ein tiefgläubiger Monarch, der durch seine Persönlichkeit und Ausstrahlung die christlichen Werte auch in die Beziehungen der Staaten tragen und die Herzen der Menschen dafür ansprechen wollte, passte damals nicht ins Konzept. Daher musste sein Wesen verschleiert, sein Bild zerstört werden.
Die Seligsprechung hat uns den wahren Kaiser Karl wieder enthüllt, ihn uns im Lichte Gottes vor Augen gestellt. Das ist ein großes Geschenk, für das wir Gott und seiner Kirche aus ganzem Herzen danken.
Doch begegnen wir auch daran im Anschluss noch Ablehnung. Wie damit umgehen? Wie der historischen Wahrheit zum Durchbruch verhelfen?
Der Weg Jesu Christi, das Beispiel des seligen Kaiser Karl weisen uns den Weg im Lichte des Gleichnisses, das wir eben gehört haben und im Sinne des hl. Paulus, der die Epheser ermahnt: Natürlich sollen wir uns gürten, d.h. stärken mit der Wahrheit, und zum Schild des Glaubens greifen, damit die Unwahrheit die Welt nicht übermannt. Wir müssen den Panzer der Gerechtigkeit anlegen. Es ist aber die Gerechtigkeit Gottes, die nicht vernichtet, sondern sich für die Erlösung selbst opfert. Sein Wort löst die Fesseln der Sünde. Die Schuhe der Bereitschaft für das Evangelium vom Frieden zu kämpfen, tragen uns nicht von irdischem Sieg zu irdischem Sieg, sondern hin zu jenem Heil der Welt, das nur Gott uns schenken kann und an dem wir mitwirken dürfen.
Gelegen oder ungelegen sollen wir die Wahrheit offen und mutig sagen. Unsere Waffen sollen die der Redlichkeit sein, keine anderen. Es gilt, mit Christus das Gute zu tun. Es gilt, die Gaben, die Gott uns geschenkt hat, einzusetzen für sein Reich. Es gilt, unsere Talente zu entfalten und ganz in Seinen Dienst zu stellen. Sein Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens ist unser Ziel. Ist das nicht eine wirklichkeitsfremde Utopie – Glaube der Schwachen, Religion des Versagens? Sie steht unter dem Zeichen und der Erfahrung des Kreuzes. Sie erahnt dahinter das Antlitz Gottes. Sie orientiert sich an den Spuren seiner lebendigen Gegenwart.
Der selige Kaiser Karl war mit vielen Talenten – von der wachen Klugheit bis zur lebendigen Frömmigkeit, von Menschenfreundlichkeit und Tapferkeit bis zu tiefer Demut – begnadet und vor eine enorme geschichtliche Aufgabe gestellt. Viele meinen, diese Aufgabe sei unerfüllbar gewesen. Wer aber die Dokumente der verschiedenen Friedensbemühungen des seligen Kaiser Karl, in denen er vor allem mit Papst Benedikt XV. zusammenwirkte, studiert, merkt mit wachsender Beklemmung, wie nahe diese wiederholt einem Erfolg waren. Doch sind sie gescheitert.
Kaiser Karl hat seine Talente bis zur Selbstaufopferung eingesetzt. Aber es ist nicht alles gescheitert. Er steht nicht mit leeren Händen vor seinem Herrn. Durch die Seligsprechung bestätigt uns die Kirche authentisch: Gott, unser Vater, hat Karl aus dem Hause Österreich als tüchtigen Diener, als guten und treuen Knecht aufgenommen. Er hört in besonderer Weise auf seine Fürsprache und stellt ihn uns als anspornendes und ermutigendes Vorbild vor Augen. Der selige Karl hat an Gott geglaubt und auf ihn vertraut. Er hat immer Gottes Willen gesucht und ihn in allem zu erfüllen gesucht. Er hat in diesem gläubigen Vertrauen nicht aufgegeben – auch dann nicht, wenn alles zu scheitern schien und seine Kräfte völlig unzulänglich erscheinen mussten. Er hat sein Talent nie vergraben.
So wird bis zum Tode hin die heroische Tugend des seligen Kaisers immer deutlicher: mit überlegenen Kräften in einen Kampf zu gehen, erscheint vernünftig, bei knappen Chancen eine Aufgabe zu wagen, ist tapfer, mit geringen Mitteln ein großes Projekt anzugehen, gilt als gewagt, aber in aussichtsloser Situation einem hohen Ziel zu dienen, erscheint den meisten für verrückt. Daher mag die Haltung Kaiser Karls in manchem weltfremd erscheinen – dennoch, sie entspringt einem hohen Ideal und einem tiefen Verantwortungsbewusstsein.
Das Überdenken der Geschichte bringt es auch mit sich, in längeren Entwicklungssträngen etwas von der Heilsgeschichte erahnen zu können, die das tragende Grundgewebe unserer Wirklichkeit darstellt. Und das heißt in Bezug auf Leben und Wirken des seligen Kaiser Karl:
Es ist schon etwas Außerordentliches, unter vielen Anforderungen, Anfeindungen und Angriffen selbst ein lauterer Mensch zu bleiben, der auf Gottes Güte vertraut und danach handelt. Dies ist uns wissenschaftlich gründlich und kirchlich feierlich bestätigt.
Das unerschütterliche treue Stehen zu seiner Aufgabe bis hinein in die Agonie des Todes hat schon damals viele Menschen bewegt und ermutigt. Damals hat die Kaiser-Karl-Gebetsliga einen bedeutenden Aufschwung genommen. Das Beispiel des seligen Kaiser Karl hat gerade auch während des Wahnsinns des Nationalsozialismus vielen Menschen Mut gemacht, dem scheinbar übermächtigen Bösen zu widerstehen, zu Christus zu stehen und Verfolgten zu helfen. Ja, so manchen hat sie zu einem wahrhaft heiligmäßigen Leben angespornt.
Aber auch der historisch messbare Erfolg des Kaisers ist gar nicht gering. Er hat einen geordneten Übergang von der Monarchie in ihre Nachfolgestaaten ermöglicht und einen Bürgerkrieg verhindert – dies sogar noch ein weiteres Mal beim zweiten Restaurationsversuch in Ungarn. Er hat mit seinen Überlegungen die Gedanken für ein neues Europa mit angeregt.
Im Glauben sehen wir auch die neueste geschichtliche Entwicklung im Zusammenhang mit ihm: Im Jahr seiner Seligsprechung haben die meisten der Völker, für die er Verantwortung trug, unter einem neuen Dach wieder zusammengefunden. Am ersten Jahrestag seiner Seligsprechung fielen die Blockaden gegen eine Aufnahme Kroatiens in die Europäische Union. Hatte doch Kaiser Karl in einer offenbar mystischen Einsicht vor seinem Tode gesagt: „Ich muss so viel leiden, damit meine Völker wieder zusammenkommen.“
Wir sind alle gerufen, im Sinne und auf den Ansporn des seligen Kaiser Karl die Aufgaben unserer Zeit und unseres Lebens anzunehmen und sie im Geiste Gottes anzupacken:
Im feinverästelten Geflecht des Unfriedens unserer Zeit treten wir für den Frieden unter den Völkern und in den Familien ein. Wie uns der Hl. Vater einlädt, wollen wir einen offenen und ehrlichen Dialog führen, der die Probleme nicht verharmlost, sondern im Vertrauen auf Gott und unter Einsatz und Einforderung der Vernunft respektvoll, aber klar anspricht und gläubig Lösungen sucht, die nicht an den Grenzen der eigenen Bequemlichkeit halt machen.
Wider die politische Opportunität und Wahrscheinlichkeit geben wir es nicht auf, den Respekt vor Gott und die Anerkennung unserer fundamentalen Lebensgrundlage im Glauben in der Europäischen Verfassung einzufordern.
Trotz aller nationalistischen Angstmacherei breiten wir unsere Arme aus und setzen uns für ein Europa ein, in dem in neuer Freiheit zusammenwächst, was schon Jahrhunderte lang verbunden war, damit im Geiste des Evangeliums Friede, Freiheit und Gerechtigkeit gedeihen.
In allem mögen wir nie nachlassen, den Willen Gottes zu suchen und zu erfüllen – und unter allen Umständen auf Gott vertrauen und unsere Talente einsetzen.
Dazu helfe uns Gott auf die Fürsprache des seligen Karl aus dem Hause Österreich und der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria.
Amen.
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